Wenige Themen werden in den letzten Jahren so intensiv und zum Teil kontrovers diskutiert, wie das Thema Diversität und Inklusion. Es gibt kaum einen Lebensbereich, der nicht durchdrungen ist von der Frage, in wie weit Vorurteile und Diskriminierung eine Rolle spielen bzw. ob die Gleichstellung aller Menschen gewährleistet ist.
Im Hinblick auf ihre Bedeutung im Alltag macht das Thema selbstverständlich auch vor der Arbeitswelt nicht Halt und betrifft insofern auch Unternehmen mit zunehmender Relevanz. Die Frage, ob ein Unternehmen als Ganzes ein integratives Arbeitsumfeld bietet, beschränkt sich inzwischen nicht mehr auf den Blick auf die Geschlechterverteilung im Personalbestand.
Zunehmend ist das Thema Gleichstellung eine Frage der Kommunikation. Kritiker:innen mögen vorhalten, dass es sich um Spiegelgefechte handelt, wenn hitzig darüber diskutiert wird, welchen Namen man der Soße zum Schnitzel oder der beliebten Süßigkeit aus Eiweißschaum und Schokolade gibt oder ob tatsächlich das generische Maskulinum ausgedient haben sollte. Befürworter einer gendergerechten, inklusiven und diskriminierungsfreien Ausdrucksweise entgegnen wiederum, dass Sprache das Denken formt und so soziale Wirklichkeit gestaltet.
Privatpersonen können sich hier einer Festlegung weitgehend entziehen und auch situativ entscheiden, wann sie wie weit gehen, um in der individuellen Ausdrucksweise eine eigene Überzeugung zu signalisieren oder die Gefühle des Gegenübers zu beherzigen. Unternehmen hingegen werden deutlich kritischer beobachtet und können sich einen sinnbildlichen Zickzackkurs hier nicht erlauben. Im Gegenteil sind sie inzwischen in vielen Bereichen geradezu gezwungen, sich zu positionieren. Dies geschieht in erster Linie sichtbar über die Sprache. Jede Form der öffentlichen Äußerung in Wort und Schrift bietet prinzipiell Gelegenheit zur Kritik und muss insofern an einer umfassenden Strategie ausgerichtet werden.
Corporate Language – ein alter Hut mit neuen Federn
Der Begriff der Corporate Language ist nicht neu. Im Rahmen einer übergeordneten Corporate Identity machen Unternehmen sich schon lange Gedanken darüber, wie sie sprechen. Dabei geht es in erster Linie darum, einen für das gesamte Unternehmen einheitlichen Sprach-Code zu entwickeln und durchzusetzen. Im Kern geht es vor allen Dingen darum, welche Begriffe in zentralen Bereichen der internen und externen Kommunikation genutzt werden. Sind Mitarbeiter Mitarbeiter oder Angestellte, Kunden Kunden oder Mandanten, heißt der Geschäftsführer CEO, wird im Unternehmen gesiezt oder konsequent geduzt? Neben diesen und zahlreichen anderen Fragen zum Wording zeigt sich die Corporate Language vor allen Dingen in Werbung und Marketing. Dabei geht es sowohl um den konkreten Sprachgebrauch in Formulierungen als auch um einen allgemeinen Sprachstil, der geeignet ist, ein Image zu transportieren. So kann ein Unternehmen auch in der Sprache bewusst konservativ oder im Gegenteil jung und dynamisch auftreten. Daneben benennen viele Unternehmen No-Gos, also Begriffe, die negativ konnotiert sind und entsprechend bewusst gemieden werden sollen.
Die aktuelle Frage, mit der sich Unternehmen im Rahmen einer Corporate Language auseinandersetzen müssen, ist die nach dem Umgang mit geschlechtsspezifischen Formulierungen. Dies betrifft zum Beispiel alle Formen der unpersönlichen Kundenansprache sowie grundsätzlich alle Formate in Werbung und Marketing. Überall dort, wo über Menschen gesprochen bzw. geschrieben wird, sollten Unternehmen klare Regeln etablieren, in welcher Form dies geschieht.
Die Qual der Wahl
Nehmen wir ein beliebtes Beispiel: In einer Pressemitteilung möchten Sie die Größe Ihres Unternehmens anhand der Personalstärke verdeutlichen. Im ersten Impuls schreiben Sie deshalb, dass am Firmensitz 50 Mitarbeiter beschäftigt sind. Dass es sich hierbei ausschließlich um Männer handelt ist in der Regel unwahrscheinlich und selbst wenn, ist diese Information Leser:innen nicht zwingend präsent. Haben Sie sich für eine genderneutrale Corporate Language entschieden, stehen Sie nun vor einer Auswahl unterschiedlicher Alternativen:
- Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (ggf. auch in umgekehrter Reihenfolge)
- Mitarbeiter/innen
- Mitarbeiter(innen)
- MitarbeiterInnen
- Mitarbeiter:innen
- Mitarbeiter*innen
Für welche Variante sich Unternehmen entscheiden, ist leider nicht nur eine individuelle Geschmacksfrage. Auf den ersten Blick wirkt die separate Nennung beider Geschlechter als die sprachlich eleganteste. Vor allen Dingen in der gesprochenen Sprache wirkt sie natürlicher als das abgesetzt angefügte „Innen“, dem man heute in den Medien immer öfter begegnet. Allerdings stehen dieser Erkenntnis ganz praktische Erwägungen gegenüber: in unserem Beispiel stehen 33 Zeichen bei „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ 17 Zeichen von „MitarbeiterInnen“ gegenüber. Gerade in stark begrenzten Formaten ist dies ein relevanter Unterschied. Außerdem ist nur die letztgenannte Formulierung tatsächlich genderneutral. Das sogenannte Gendersternchen, das inzwischen sogar Einzug in den Duden gefunden hat, verbindet Personen des weibliche und des männlichen Geschlechts mit all jenen, die heute als divers beschrieben keinem Geschlecht eindeutig zugeordnet werden möchten.
Für welche Form ein Unternehmen sich entscheidet, steht ihm selbstverständlich frei. Wichtig ist jedoch, dass eine einmal getroffene Entscheidung konsequent umgesetzt wird. Das heißt diese und ausschließlich diese Form sollte genutzt werden, in allen Formaten, von allen Mitarbeiter:innen.
Wer nichts entscheidet, der macht auch keine Fehler?
Viele Unternehmen ignorieren den aktuellen Trend und bleiben beim Vertrauten, in unserem Beispiel also beim generischen Maskulinum. Auch wenn sie sich damit heute noch der Mehrheit anschließen mögen, bedeutet dies nicht, dass es von der Außenwelt ignoriert wird. Inzwischen sind es nicht mehr nur entschiedene Feministinnen und Feministen oder aktive Verfechter:innen einer genderneutralen Gesellschaft, die Unternehmen öffentlich dafür schelten, der gesellschaftlichen Entwicklung in ihrer Sprache keine Rechnung zu tragen. Je selbstverständlicher in unserer Gesellschaft das Zusammenleben unterschiedlichster Menschen, mit unterschiedlichsten Biografien wird, desto lauter wird die Forderung, dieser Vielfalt auch in der Sprache Ausdruck zu verleihen.
Der erste Gedanke vieler Unternehmen gilt verständlicherweise den wirtschaftlichen Konsequenzen einer Entscheidung. Anders ausgedrückt fragen sich Verantwortliche, welche Herangehensweise die Zielgruppe bevorzugen wird. Tatsächlich wird diese Überlegung in den meisten Fällen ausschlaggebend sein. Ein Unternehmen, das insgesamt konservativ auftritt und seine Zielgruppe entsprechend verortet, wird annehmen, dass die Zielgruppe insgesamt keinen Wert auf genderneutrale Ansprache legt, diese vielleicht sogar ablehnt und entsprechend negativ bewertet. Junge, innovative Unternehmen mit entsprechend junger Zielgruppe werden dagegen oft davon ausgehen, dass Gleichstellung für ihre Kunden:innen ein Muss ist und die Positionierung eines Unternehmens entsprechend belohnt wird.
So finden sich Unternehmen insgesamt in einem Spannungsfeld zwischen strategischem Verharren und vorauseilendem Handeln.
Corporate Language als Teil der Unternehmensphilosophie
Die Diskussion über geschlechtsspezifische Formulierungen und Genderneutralität ist letztlich nur ein Symbol für das deutlich weitreichendere Thema Inklusion und Diversität, das in der Zivilgesellschaft und folglich auch in der Wirtschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt. Entsprechend zu kurz gedacht ist es für Unternehmen, anzunehmen es sei damit getan, in Mailings Ansprachen zu gendern oder geschlechtsspezifische Formulierungen insgesamt zu meiden. Zeigt sich ein Unternehmen im sonstigen Alltag als einseitig geprägt oder sogar intolerant, wird auch dieses symbolische Handeln leicht durchschaut und letztlich negativ ausgelegt werden. Diversität und Inklusion sollten deshalb ein übergreifendes Thema innerhalb der gesamten Unternehmensphilosophie sein und der Sprachgebrauch nur eine logische Konsequenz. Vielmehr ist es eher noch legitim, auf dem generischen Maskulin zu beharren, im Gegenzug aber zu demonstrieren, dass im Unternehmen Gleichstellung gelebt wird, als umgekehrt.
Außerdem sollten Entscheidungen hinsichtlich eines Corporate Language Change einem Unternehmen und seinen Mitarbeiter:innen nicht einfach übergestülpt werden. Die Verwendung von Sprachrichtlinien funktionieren nur dann reibungslos und in einer Form, die nicht unnötig unbeholfen wirkt, wenn Betroffene eine zugrundeliegende Entscheidung nachvollziehen und aus Überzeugung mittragen können. Einfach intern zu kommunizieren, „ab 01.01. wird bei uns gegendert“ ist nicht ausreichend und führt in vielen Fällen zwangsläufig zu Schwierigkeiten, zum Beispiel weil Mitarbeiter:innen sich bewusst sträuben oder die neuen Maßnahmen schlicht nicht verinnerlichen.
Fazit
Das Thema Inklusion und Diversität ist für Unternehmen sprichwörtlich ein heißes Eisen. Es beinhaltet viele Fallstricke und bietet neben erkennbaren Chancen in der Selbstdarstellung immer auch Risiken. Es deshalb zu ignorieren ist langfristig für Unternehmen jedoch keine Option. Da Unternehmen nicht im luftleeren Raum agieren, können sie sich Entwicklungen in der Gesellschaft nicht verschließen. Der Impuls, zumindest in einzelnen Bereichen einfach die Sprache anzupassen ist jedoch nicht ausreichend. Ein Corporate Language Change sollte immer die Konsequenz eines umfassenden Change-Prozesses sein, der ein geschlossenes Bild der eigenen Position entwickelt und vermittelt.
Wenn Sprache genutzt wird, um diese Unternehmensphilosophie zu transportieren, dann muss dies auf jeden Fall konsequent und einheitlich geschehen.
Kommentare zu "Corporate Language Change – Gleichstellung kann man lesen"
Leider ein eher inhaltsarmer, wenig zeitgemäßer Artikel. Z.B. auf die vielen Möglichkeiten der Verwendung neutraler Begriffe (Mitarbeitende, Reinigungskraft, Geschäftsführung …), Prädikatisierung (z.B. „wer sich bewirbt, sollte“ statt „Bewerber sollten“…) oder auch den Medio.punkt (hier nicht darstellbar: Ein höhen-mittiger Punkt, daher weniger störend im Lesefluss) wird nicht hingewiesen. Und einzig das Image des Unternehmens scheint relevant – dass es aber auch mit den Menschen, der Arbeitsatmosphäreund im Unternehmen und längerfristig mit der Gesellschaft etwas macht, wenn man geschlechter-fair spricht und schreibt, wird kaum behandelt.
Eine maßgebliche Gender-Lehrstuhlinhaberin schrieb neulich, dass das Sternchen ungeeignet sei, weil die Wissenschaft noch im Dunklen tappe, wie diverse Personen mit angesprochen werden könnten. Mit dem Sternchen jedenfalls schon mal nicht. Insofern ist es auch schade, dass die Autorin nicht erklärt, warum sie selbst sich für die eher selten anzutreffende Variante mit dem Doppelpunkt entschieden hat. Richtig ist jedenfalls, dass man nicht nicht kommunizieren kann.
Wir legen großen Wert auf die Meinung unserer Leser:innen und bedanken uns für Ihre Kommentare!
Für die Variante mit dem Doppelpunkt haben wir uns entschieden, weil es barrierefreies gendern für die Vorlesefunktion von Internetbrowsern ermöglicht. Hierbei werden die digitalen Texte in Sprache ausgegeben und ein Doppelpunkt wird nicht mitgelesen, sondern lediglich als kurze Pause zwischen den Wörtern gesprochen. Das trägt zum besseren Verständnis des vorgelesenen Textes bei, macht den Text natürlich trotzdem nicht komplett barrierefrei.